Vor 30 Jahren wurde Mission „Ost-West“ in Gießen gegründet.
Wir schauen voll Dank auf diese Jahre zurück - die auch voll Freude, voll mit Reise-Anstrengungen, manchmal auch Entbehrungen und Verfolgung mit sich brachten. Alles in Allem: Menschen fanden durch unsere Dienste zum lebendigen Glauben an den dreieinigen Gott, wir konnten Straßenkinder herzen und sättigen, rund 3.000 Studenten - in Albanien, im Kosovo, in Rumänien und in der Ukraine
- unterrichten und viel, viel Gutes tun!
Gut zu wissen, was „Ost-West“ tut ...
Wie begannen diese Dienste?
Im Juni 1988 saßen in Gießen sieben Christen aus verschiedenen Kirchen zusammen, um den Lehr-Diensten von Pastor Gerhard Jan Rötting eine vereinsrechtliche Form zu geben. Christen in der Sowjetunion hatten ihn um theologische Unterweisung für ihre Pastoren und Diakone gebeten. Er folgte diesen Einladungen von russischen und ukrainischen Christen und war auf Privat-Initiative zu ihnen gereist, um sie zu unterrichten. Jahre zuvor war Pastor Rötting als theologischer Lehrer in Wuppertal, Gnadenthal, Breklum und Gießen tätig. Aber ihm lagen die Christen in der Sowjetunion am Herzen, weil sie 70 Jahre – seit der Machtübernahme der Sowjets – ohne seminaristische Ausbildung ihre pastoralen und diakonischen Dienst ausübten: Meist unter Androhung von langjährigen Gefängnisstrafen oder Arbeitslager. Die russischen und ukrainischen Gemeinden existierten deshalb zumeist im Untergrund. In den Ferien war Pastor Rötting zu ihnen gereist. In seinen Koffern hatte er heimlich Bibeln und Lehrmaterial versteckt. Er kannte die Bedrängnisse und Verfolgungen der Brüder. Er unterrichtete sie im „Verborgenen“ – also im Untergrund – in den Fächern „Biblische Auslegung des Neuen Testaments“, „Seelsorge“ und „Predigtlehre“. Die KGB-Agenten waren ihm nicht selten auf den Fersen.
Deshalb wurde 1988 in Gießen die Mission Ost-West gegründet, zu der besonders Christian Fürst zu Bentheim und Steinfurt den Anstoß gab. Die Lehrdienste von Pastor Gerhard Jan Rötting weiteten sich immer mehr aus. Sie hatten eine juristische Form erhalten, da der Ruf aus dem Osten erfolgt war.
Freunde gewinnen
Wir gingen nun daran, Freunde über unsere Dienste zu informieren. Das geschah durch Zeitschriften und Rundbriefe, in denen Pastor Rötting von seinen Lehrdiensten in Russland (besonders im Kaukasus), in der Ukraine und in der Umgebung von Moskau erzählte. Der Freundeskreis wuchs und nahm an allem Geschehen im Osten mit Gebeten und Gaben großen Anteil, zumal es im mächtigen Ostblock politisch ziemlich rumorte.
1. Akzent: Unterricht (Lehre als geistlicher Tiefgang)
Der Bund der Evangeliums-Christen/Baptisten mit Sitz in Moskau wurde auf Pastor Gerhard Jan Rötting aufmerksam und berief ihn 1990 als Professor. Es gab damals im riesigen Territorium der Sowjetunion ein einziges Seminar, das Pastoren und Diakone ausbildete – in Moskau. Dort fehlten qualifizierte Lehrkräfte. Beim Unterrichten bemerkte Pastor Rötting, wie die Studenten mit leeren Mägen an den Vorlesungen teilnahmen. Die noch junge Mission Ost-West fuhr Lebensmittel, warme Kleidung und Medikamente ins Moskauer Seminar.
2. Akzent: Diakonie
(konkret helfen, wo Not herrscht)
Es blieb nicht dabei, hungrige Studenten zu versorgen: Wir sahen mehr und mehr die menschlichen Nöte in der Sowjetunion. Wir sprangen ein, wenn Gemeindemitglieder Hilfe brauchten. Es zeigte sich: Biblische Unterweisung und humanitäre Hilfe gehören zusammen. Zum Unterricht von Pastor Rötting in Moskau fuhren wir jede Menge Lebensmittel per LKW in die Sowjetunion. Später auch Schuhe und Kleidung, nicht zuletzt auch Medikamente.
3. Akzent: Evangelisation (Menschen für Jesus gewinnen)
Die Theologie-Studenten begannen in ihren Gemeinden, die "Gute Nachricht" zu bezeugen. Auch den Menschen in ihren Wohnorten erzählten sie von der Liebe Gottes. Die Person Jesu stand leuchtend vor den Menschen. Es gab geistliche Aufbrüche, die Gemeinden wuchsen. Die Nachfrage nach Neuen Testamenten und Bibeln war enorm: Jeder wollte die Heilige Schrift selber lesen, was den Gläubigen unter der Sowjetherrschaft unmöglich war. Es gab keine Kinderbibeln. Sie waren der "Renner", da sie auch von Großeltern und Eltern 'verstanden' wurden. Wir kauften im Druckhaus Gummersbach große Mengen davon und brachten sie in die UdSSR.
Das "Missions-Dreieck" war geboren.
Ohne es zuerst in seiner Tiefe zu verstehen, haben wir in den ersten Jahren eine Sicht, eine Vision von Gott empfangen:
Erster Akzent: Gottes Wort lehren.
Zweiter Akzent: Menschen helfen.
Dritter Akzent: Evangelium ausbreiten.
Wir erkannten: Nur nicht bei einem dieser drei Akzente stehen bleiben - ihn überbetonen oder vernachlässigen! Sie sollten vielmehr ständig im Dreieck "zirkulieren"!
Was das heißt, sagt der Exkurs:
Die Kirchen- und Missionsgeschichte zeigt uns: Gottes Wort lehren - ohne gleichzeitig diakonisch tätig zu werden, bringt kaum geistliche Frucht. Diakonie ohne Evangelisation bringt auf Dauer "betrieblichen Leerlauf". Evangelisation ohne Tiefe (und Vollmacht!) aus Gottes Wort, das bringt nichts. Kurzum: Jeder der Dreiecks-Punkte bedingt stets die beiden anderen. Sie zirkulieren unaufhörlich im "Missions-Dreieck". Das ist unsere "Sicht", unsere Vision im Dienst für den Herrn Jesus.
Jede Mission braucht einen Ruf und eine Vision
Noch bevor 1989 Michael Gorbatschow durch "Perestroika" (= Umgestaltung) und "Glasnost" (= freie Meinungsäußerung) den Kommunismus in der Sowjetunion ins Wanken brachte, bildete sich aus allen Teilen des Landes eine Schar von Studenten um Pastor Rötting. Sie hatten seinen Unterricht in Moskau erlebt und nannten sich "Brüderlicher Kreis". Dieser Kreis existiert heute noch. Aus den damaligen Studenten sind inzwischen gestandene Pastoren und Superintendenten geworden, die sich noch heute gern mit ihrem "Professor" treffen.
Dann kam ein eindeutiger Ruf: Der Kirchenpräsident, Pastor Dr. Grigory Komendant, aus Kiew lud Pastor Gerhard Jan Rötting zum Unterrichten in die Ukraine ein, da die meisten Pastoren, Prediger und Diakone "noch nie ein Seminar von innen gesehen hätten". Ihre biblisch-theologische Ausbildung bezogen sie aus der Verkündigung in ihren Gemeinden. Die Kirchenleitung stellte ein Gebäude in Irpin zur Verfügung, was Mission Ost-West später übernahm. Doch dieses Seminar erwies sich schon bald als zu klein, da viele junge Männer an den zweiwöchigen Grundkursen teilnehmen wollten. Eine zweijährige Ausbildung wurde bald hinzugefügt. Professor Pastor Immanuel Dauner aus Karlsruhe und Professorin Katharina Schmidt aus Steinen bei Lörrach unterrichteten zusammen mit Pastor Gerhard Jan Rötting an diesem Theologischen Institut in Irpin. Irpin liegt vor den Toren der Hauptstadt Kiew. In den ersten zehn Jahren absolvierten mehr als 1.200 ukrainische und weißrussische Studenten ihre Ausbildung im Theologischen Institut. Zum Unterrichten kamen uns einheimische Lehrer zu Hilfe, die zum "Brüderlichen Kreis" gehören. Die Finanzierung der einheimischen Lehrer und der Studenten übernahm der Freundeskreis von Mission Ost-West.
Ein Herz ohne Liebe ist viel ärmer als eine leere Hand.
Rufe aus Rumänien, Albanien und dem Kosovo trafen bei uns ein. In diesen ehemals kommunistisch regierten Länder gab und gibt es noch immer Scharen von unzähligen armen Waisen- und Straßenkindern. Pastor Gerhard Jan Rötting besuchte wiederholt diese Länder, teilte die Nöte dem deutschen Freundeskreis mit und erhielt dessen Unterstützung, um Hunderten von Kindern beizustehen und sie in einheimischen Familien unterzubringen. Patenschaften entstanden. Mit 33,- Euro im Monat wird einem Kind - sei es in Rumänien, in Albanien oder im Kosovo - bis zum 15. Lebensjahr die Not wendende Hilfe zuteil. Übrigens auch den "Tschernobyl"-Kindern in der Ukraine wird so geholfen.